Äyel-Mulher

Kristina Koslow & Liliana Schneebeli

Wir sahen den Webstuhl und die Möglichkeit selbst einen Stoff zu schaffen, der möglicherweise sämtliche Stoffe aus unseren Arbeiten beinhalten könnte. Mit dem Webstuhl konnten wir auch Restbestände in unsere Kollektion mit einfließen lassen und so möglichst wenig überschüssiges Material produzieren. Zudem wurden diese Stücke, die aus diesen Stoffen entstanden, zu unseren Schlüsselelementen. Sie verbinden unsere Entwürfe und schlugen Brücken zwischen ihnen und uns.

„Und es war tatsächlich über die Auseinandersetzung mit Künstlerinnen, die über das Brechen und Biegen und Umdenken von Regelwerken und festgelegten Prinzipien, ihre eigene Sprache mit einem bekannten Medium schaffen konnten.“

Kristina Koslow, Liliana Schneebeli

In der weiteren Beschäftigung mit verschiedenen Künstlerinnen, die mit klassischen Regelwerken aufgebrochen haben, kam uns die Idee direkt am Körper zu arbeiten. Dies bedeutete für uns eine größere Flexibilität aber das Umwickeln der Körper, das Nachziehen des Seils, das Entwirren, sich ducken, eine Hand die andere ablösend machte es uns auch schwieriger.

 

Durch die eigens entwickelte Art des Webens rückt die Zusammenarbeit von uns beiden in den Mittelpunkt. Wir wählten den Webstuhl und die textile Arbeit auch, um auf sexistische Strukturen in der Mode aufmerksam zu machen. Noch immer ist die Arbeit mit Stoffen in der Mode hauptsächlich von Frauen besetzt. Wir wollen diese Klischees von innen heraus aufbrechen und auf Missstände aufmerksam machen. Wir wollten mit unserer Arbeit aber auch eine Verbindung schaffen und vorleben. Die Verwendung von zwei traditionellen Bekleidungstücken, aus Kasachstan und Portugal, verbindet zusätzlich noch zwei Kulturen. Wir wollten damit ein Zeichen für kulturelle Vielfalt und für individuelle Entfaltung setzten. So verkörpert unsere gesamte Arbeit das Motto: Gemeinsam verschieden.

 

Unser Ziel war es zwei Körper zu verbinden. Zwei Individuen, die sich eine Hülle teilen, bis diese abgenommen wird. Beide sind ebenbürtig, anonym und ihre Spuren lassen nur vermuten, in welcher Beziehung sie zu einander stehend.

 

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Interview

Ihr habt eure Masterarbeit gemeinsam gestaltet und erarbeitet. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Wir kennen uns seit dem ersten BA Semester. Wir belegten gemeinsame Kurse, tauschten uns in den Pausen viel aus und dann ergab es sich noch, dass wir die Ausstellung „Viva Victoria!“ innerhalb eines Seminars gemeinsam organisierten. Während dieses Jahres der sehr guten Zusammenarbeit, erkannten wir auch Überschneidungen in ästhetischen Vorlieben, thematischen Schwerpunkten und persönlichen Einstellungen. Dementsprechend war der Austausch sehr bereichernd und bei einem Gespräch über mögliche Bachelorthemen hat sich die Idee einer gemeinsamen Kollektion wie von selbst ergeben. So blieb es auch den gesamten Master über bestehen.

Auch ihr beide seid in einigen Punkten verschieden. Welche Herausforderungen gab es in der Zusammenarbeit und wo konntet ihr von dieser besonders profitieren?

Ein großes Pro der Zusammenarbeit:  Wir profitierten von unterschiedlichen Stärken. So gleichen sich „Schwächen“ aus und Arbeitsschritte und Aufgaben konnten wir besser und nach Vorlieben verteilen. Es war definitiv vorteilhaft einander schon besser gekannt zu haben und auch während eines gemeinsamen Projekts Erfahrungen in der Zusammenarbeit gemacht zu haben.

Was eine Herausforderung der Zusammenarbeit war: Da man auch befreundet ist, ist es schwierig Arbeit und Privates strikt getrennt zu halten. Entscheidungsprozesse können langwieriger sein. Wichtigere Entscheidungen erfordern Zustimmung beider nach ausgiebiger Kommunikation und Kompromissbereitschaft ist es manchmal schwierig, wenn eine Partei von einer Sache überzeugt ist, die andere jedoch nicht.

Eure Webtechnik ist eine besondere. Wie funktioniert diese Technik? Wie habt Ihr sie entwickelt?

Erste Webversuche sind bereits in einer vorherigen Kollektion „Blue Bird“ entstanden, da wir den Gedanken hatten Stoffreste zu verarbeiten und in der Kollektion unterzubringen.

In der Masterarbeit setzten wir zwei Webtechniken ein. Eine davon war traditioneller, am Handwebstuhl um die Stoffreste (Verschnitt) nicht einfach wegzuwerfen, sondern zu Stoffen zu verarbeiten.  Der gelbe Mantel ist am Webstuhl entstanden. Auch hier haben wir mit experimentellem Einsatz der Stoffe gearbeitet, aber in der Fläche. Die andere Webtechnik war experimenteller, beruhte auf dem gemeinsamen Einwickeln von Objekten und führte zur Kreation neuer und abstrakter Objekte. Das statische Stehen am Webstuhl haben wir aufgehoben in einem dynamischen Prozess, das Umwickeln führte zu Gebilden, die als natürlich gewachsen anmuten und miteinander in Beziehung stehen, mit Öffnungen und losen Stellen dürfen sie auch „unvollendet“ bleiben.

Ihr beschäftigt euch in eurer Arbeit mit sexistischen Strukturen in der Mode. Wo tauchen diese für euch besonders auf?

Frauen sind in Top Designpositionen immer noch stark unterrepräsentiert, obwohl mehr Frauen ein Modestudium abschließen. Es ist zwar Besserung sichtbar, aber hauptsächlich bei kleineren Labels, die von Anfang an von Frauen gegründet und geführt wurden.

Wo zeichnet sich für euch Diversity in der Mode besonders ab und wo könnte sie noch mehr zum Vorschein kommen?

Es gibt mittlerweile Unternehmen und Label, die versuchen eine authentische Repräsentation ihrer Kund*innen in der Werbung, dem Laufsteg und im Design zu berücksichtigen. Wahl der Models, der Sprache in Werbung und Kommunikation, Frauen in „höheren“ Positionen. Weniger Frau-Mann: Genderless Fashion. Aber das trifft noch lange nicht auf die Mehrheit zu oder die Label, die noch die größte Reichweite haben. Vielleicht ist man gerade erst dabei zu sehen, wie die Mode damit umgehen kann und wird. Es wird sich zeigen was bestehen bleibt und weitergedacht wird und was nur das Mitmachen einer Tendenz ist. Es müssen sich ja auch nicht alle völlig umstellen, aber es gibt Darstellungsweisen und Repräsentationen, die nicht mehr toleriert werden sollten. Bsp. Victoriaˋs Secret… falls wir das als Mode bezeichnen wollen.

Auch ist es weiterhin so, dass die weiße, sehr schlanke, 1,75m große Cis-Frau von vielen als die Trägerin der Mode dargestellt wird.

Studienrichtung
Gestaltung, Mode M.A.
Abschlussarbeit
 
Betreuung

Prof. Dr. Anna Zika

Prof. Philipp Rupp

 

Kontakt

Liliana.m.schneebeli@web.de

Kristina.koslow@web.de

 

Fotografie

Ronja Falkenbach

 

Model

Maria Landwehr