I am not an ideology!

Paul Koncewicz

Dutzende von kleineren Ortschaften Polens haben sich zu „LGBT-Ideologie“-freien Zonen erklärt. Politiker positionieren sich feindselig zu den Rechten homosexueller Menschen und stärken damit die religiöse Rechte im Konflikt mit liberal gesinnten Menschen in Polen. Die regierende Partei Polens attackierte LGBT+-Menschen mit homophober Rhetorik und bewirkte damit in offizieller Europäischer Lesart eine Benachteiligung dieser Personengruppe. „I am not an Ideology“ ist eine Portraitreihe, die polnische LGBTQ-Personen als das zeigt, was sie sind: Menschen.

 

Zum Nachlesen: Positionierung der EU-Kommissionschefin zu der Situation in Polen

„Meine Portraitarbeit richtet sich an diese Menschengruppe, die nicht Ideologie, sondern vor allem einfach nur Mensch ist.“

Paul Koncewicz

Interview

Wann bist du zum ersten Mal diesem Thema begegnet?

2019 war ich zum ersten Mal in Polen, um den polnischen Unabhängigkeitstag zu dokumentieren und mehr über die Situation vor Ort zu erfahren.

Wo begegnest du deinen Modellen? Wie wählst du sie für die Porträts aus?

Ich habe meine Protagonisten über die sozialen Kanäle, vor allem Instagram gesucht. Über Couchsurfing suchte ich wahllos junge Menschen, die ich porträtieren durfte. Auch wollte ich von Ihnen mehr über die Entwicklung Polens, ihre Sorgen und Ängste erfahren.

Zufällig waren drei der vier porträtierten Personen LGBTQ+ Menschen.

Vom ersten zum zweiten Besuch hin wurde die Suche bereits einfacher und erfolgreicher.

Dabei suche ich keine Modelle. Ich finde Menschen, die sich bereiterklären mit Ihrem Portrait für die vielen anderen unterdrückten LGBTQ+-Menschen im Land einzustehen.

Wie entstehen die konkreten Motive und Inszenierungen deiner Porträts?

Ich besuche die Menschen bei sich zu Hause. Das ist so abgesprochen und Teil des Konzepts. Ich möchte so viel wie möglich über den Menschen erzählen und weiß, dass ein einziges Bild dies schwer leisten kann. Ich benutze den persönlichen Raum der Menschen, um ein Bild zu inszenieren, welches den Betrachter fesselt und ihm die Möglichkeit gibt, über das Interieur und die Szenerie mehr über die Protagonisten zu erfahren.
Die Inszenierungen finden immer spontan statt, wobei ich nur gefundenes Eigentum der Protagonisten benutze.
Ich mache mich bewusst nicht auf die Suche nach Elementen, die im LGBTQ+-Bezug zu verorten sind, benutze sie aber gerne, wenn sie vorhanden sind. Mein Ziel ist es ein Portrait des Menschen zu machen und nicht seiner homo-/bi-/trans-/a-sexuellen Identität.

Wie ist die Idee zu deiner Arbeit entstanden?

Ich beobachte die politische Entwicklung Polens der letzten Jahre mit großer Sorge.
Nicht nur, dass die regierende PiS Partei Polen nach außen hin immer weiter verschließt, isoliert und EU-unfreundlich agiert, auch im Inland verläuft die Entwicklung eher rückwärtsgewandt: Erst vor kurzem wurde das härteste Abtreibungsverbot Europas verabschiedet, nachdem in den letzten Jahren das Verfassungsgericht durch den Austausch von Richtern auf PiS-Kurs gebracht wurde und im Grunde nicht mehr neutral ist. Ähnlich wie das polnische Staatsfernsehen, welches Propaganda und Lügen verbreitet.
Der Staat agiert offen homophob und nennt Homosexualität eine Ideologie, also eine bewusste Entscheidung und Wahl. Schwul sein bedeutet krank sein... Aber keine Sorge, vor allem die polnische Kirche hilft gerne dabei, diese kranken Menschen zu heilen.
Der Homophobismus gipfelt im Schaffen sogenannter „LGBTQ+-Ideologie”-freier Zonen. Mittlerweile rühmen sich fünf Regierungsbezirke, 37 Landkreise und 55 Gemeinden, vor allem im südöstlichen Polen, damit, frei von LGBTQ+-Ideologie zu sein.
Meine Portraitarbeit richtet sich an diese Menschengruppe, die nicht Ideologie, sondern vor allem einfach nur Mensch ist.

Was waren für dich die besonderen Herausforderungen bei der Umsetzung?

Warschau ist höchst liberal, international, offen und LGBT-freundlich. Eine absolute Ausnahmestadt für Polen. Dort Menschen zu finden, die sich porträtieren lassen, war zwar nicht einfach, aber nicht annähernd so schwer, wie in anderen Regionen, in denen Menschen Angst um Leib und Leben haben müssen, wenn sie sich offen als schwul zeigen.

Wie geht es jetzt für dich weiter? Arbeitest du weiter an dem oder einem ähnlichen Thema?

Das Projekt soll am Ende repräsentativ sein und benötigt dafür, meiner Meinung nach, mindestens 100 Portraits. Sobald es die Pandemiesituation wieder zulässt, werde ich weitere Menschen in Polen suchen und porträtieren.

Studienrichtung
Gestaltung, Fotografie und Bildmedien B.A.
Freies Projekt
 
Kontakt

paul@photopaul.de

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