Marrín

Marvin Glißmann

Die Motivation Drag auszuüben, stammt in erster Linie aus der früh entfachten Leidenschaft für Verkleidungen und ist somit als Hobby zu verstehen. Im Laufe des Prozesses konnte ich jedoch mehr Selbstvertrauen gewinnen, im Bezug auf die weibliche Rolle, aber auch auf meine Fähigkeiten, wie zum Beispiel mich richtig zu schminken. Dadurch wurde die Idee, nach dem Studium Drag als professionelle Tätigkeit auszuüben, greifbar. Dazu gehört die Zuversicht in die eigenen Fähigkeiten, aber auch das Wohlbefinden in der Rolle „Marrín“.

„Ich verstehe Diversity als Form der Selbstbestimmung und Selbsteinordnung, oder das genaue Gegenteil: Einfach frei zu existieren.“

Marvin Glißmann

Trapped
I'm bored,
I'm so bored of all this repetition
I want to be someone
I feel trapped
trapped inside a simulation
I wanna go out
meet someone who makes me feel different
But everything seems so generic to me
Is this all part of a simulation?
Am I a simulation?
How can I find out?
What makes the difference?
I have to become part of this,
part of a simulation
I have to simulate my own life

Gefangen
Ich langweile mich
Mich langweilt die immer gleiche Wiederholung
Ich möchte jemand sein
Ich fühle mich gefangen
in einer Simulation
Ich will raus
Jemanden treffen, der mich ein anderer sein lässt
Aber alles erscheint mir so gewöhnlich
Ist das alles ein Teil einer Simulation
Bin ich eine Simulation?
Wie finde ich es heraus?
Was macht den Unterschied aus?
Ich muss ein Teil davon werden,
Teil einer Simulation
Ich muss mein eigenes Leben simulieren

Interview

Welcher Teil deiner Arbeit, die in der digitalen Ausstellung „Gemeinsam verschieden“ gezeigt wird, gefällt dir persönlich am besten und warum?

Am besten gefallen mir die Fotos, welche während meines Bachelors entstanden sind. Sie sind repräsentativ für die verschiedenen Charaktere, die ich entwickelt habe und können als Vorlage für Dragpersona wahrgenommen werden.

Wie ist die Idee zu deiner Arbeit entstanden?

Das Thema Drag faszinierte mich schon länger, als ich dann anfing die amerikanische Serie „Rupaul’s Drag Race“ zu gucken, war das der ausschlaggebende Punkt, um mich selbst als Drag Queen auszuprobieren.

Haben dich ein bestehendes Kunstwerk oder Objekt oder aktuelle Diskussionen inspiriert?

Meine Inspiration entstammt hauptsächlich Charakteren aus TV-Sendungen, die ich als Kind oder in meiner Jugend verfolgt habe. Natürlich gibt es auch einige Drag Queens oder Performance Künstler*innen wie Leigh Bowery, die meine Arbeit beeinflusst haben.

Wann bist du das erste Mal Drag begegnet? Was war dein erster Eindruck?

Die ersten Drag Queens, die ich wahrgenommen habe, waren Lilo Wanders, Olivia Jones und Nina Queer. Ich war noch sehr jung und habe zwar verstanden, dass diese Personen anders waren, aber konnte nicht unterscheiden, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Irgendwie war mir das auch egal, am wichtigsten war für mich die positive Ausstrahlung und der Humor.

Was waren für dich die besonderen Herausforderungen bei der Umsetzung?

Am schwierigsten war es für mich das Stigma „schwul und Drag Queen“ zu überwinden. Hauptsächlich liegt es daran, Angst vor negativen Reaktionen zu haben.

Welche Berührungspunkte hast du im Alltag mit Diversity und inwiefern nimmst du diese in deine künstlerische Arbeit auf?

Diversität fängt bereits in meinem Freundeskreis an, egal ob das nun auf Gender, sexuelle Orientierung oder Abstammung bezogen wird. Ich versuche immer ein offenes Ohr für neue Erkenntnisse oder Fragen zu diesen Themen zu haben und dazuzulernen. Manchmal ecke ich leider auch an, werde dann aber schnell darauf aufmerksam gemacht und kann dadurch reflektieren.

Ich denke, wer sich selbst als Drag Queen inszeniert wird automatisch zu einer Person, die sich mit Diversity auseinandersetzt.

Was bedeutet Diversity für dich?

Vielfalt. Für mich ist es das Existieren von verschiedensten Gendern oder sexuellen Vorlieben und Ideen abseits von einer heteronormativen Weltanschauung. Ich verstehe Diversity außerdem als Form der Selbstbestimmung und auch Selbsteinordnung oder das genaue Gegenteil: Einfach frei zu existieren.

Welche Potentiale hat Diversity? Was hat dir in deinem bisherigen Leben geholfen deine Potentiale zu entfalten?

Mir hat es besonders geholfen einen diversen und auch sehr aufgeklärten Freundeskreis zu haben. Aus Tabus wurden Normalitäten, was für mich ein unbeschwerteres Lebensgefühl und Freiheit als Ergebnis hatte.

Zukunftsausblick: Wie geht es jetzt für dich weiter? Arbeitest du weiter an dem oder einem ähnlichen Thema?

Mein Drag Character „Countess Marrin“ wird natürlich weiterbestehen und sich auch weiterentwickeln. Abgesehen davon habe ich kürzlich eine Ausbildung zum Hair and Make-up Artist gemacht und hoffe bald erfolgreich in diesem Bereich zu arbeiten.

Gibt es etwas, das dir zum Thema Kunst und Diversity noch besonders wichtig ist?

Stop showcasing white privileged heterosexual cisgender. That’s all.

Stoppt Repräsentationen mit privilegierten heterosexuellen cis-Menschen. Das ist alles.

Welche Zukunft stellst du dir für Marrin vor? Wohin soll sie sich noch weiterentwickeln?

Marrin wird in Zukunft hoffentlich in Berliner Bars und Clubs zu sehen sein und wenn es gut läuft auch mal einen TV-Auftritt haben. Das Scheinwerferlicht ruft.

Studienrichtung

Mode B.A.
Abschlussarbeit

 

Betreuung

Prof. Anja Wiese

Prof. Nils Hoff

 
Kontakt

CountessMarrin@web.de

 

Fotografie

Ola Rebisz

@byolareb

 

Editing

Kaan Kanbur

@kaan_kanbur

 

Morgenmantel

Dominik Mahoche

@dominikmahoche

Der Begriff „drag“ hat sich in der deutschen Homo-Szene vor etwa anderthalb Jahrzehnten eingebürgert und stammt aus der anglo-amerikanischen Homo-Szene. Wie der Begriff in diesen Zusammenhang kam, liegt aber im Dunkel der Geschichte. Verschiedene Hypothesen kursieren: Drag könnte die Abkürzung für „Dressed Resembling A Girl“ („angezogen nach Art eines Mädchens“) sein. Oder der Begriff könnte aus der Theaterszene des späten 19. Jahrhunderts stammen, die mit „to drag“ (deutsch: hinterherziehen) auf dem Boden schleppende Röcke bezeichnete.


Quelle: Queer-Lexikon