Welcher Teil deiner Arbeit, die in der digitalen Ausstellung „gemeinsam verschieden“ gezeigt wird, gefällt dir persönlich am besten und warum?
Die Bomberjacke ist mein absolutes Lieblingsteil der Kollektion. Sie beschreibt das Konzept meiner Arbeit am ehesten, da ein Archetyp der Straße mit Materialien meiner Heimat kombiniert wird.
Wie ist die Idee zu deiner Arbeit entstanden?
So wie andere Menschen während der Arbeit klassische Musik hören, läuft bei mir immer Rap. Ich habe angefangen, mich generell für die Hip-Hop Szene zu interessieren, weil ich den Look der Straße schon immer sehr spannend fand. Davon ausgehend habe ich meinen eigenen Stil in der Streetwear gefunden und lasse mich weiterhin von ihr inspirieren. Ein wichtiger Punkt dabei ist die Silhouette, die die Subkultur verkörpert; weite, lässige Schnitte, die dem Träger die Möglichkeit bieten, sich frei zu bewegen und sich frei zu fühlen. Als Gegenpol zur Subkultur wollte ich mein persönliches Empfinden, meine Kultur und Herkunft mit einbeziehen. Daher habe ich mich mit Rappern mit Migrationshintergrund, insbesondere auch mit deutsch-türkischen Rappern beschäftigt, die sich in ihren Texten mit Identitätskrisen auseinandersetzen. Als Deutsche mit türkischen Wurzeln habe ich dort Parallelen gesehen und konnte mich so mit der Thematik identifizieren.
Hast du dich mit anderen dazu ausgetauscht? In welchen Zusammenhängen?
Nachdem ich mich auf das Thema festgelegt hatte, habe ich mich mit Freunden ausgetauscht, die sich beispielsweise als Sprayer in der Graffiti-Szene probieren oder Kontakte zu Rappern haben. Wir haben uns gemeinsam durch etliche Tracks gehört, wobei ich am Ende meine Inspiration bei „(immer noch) Ausländer“ von Alpa Gun fand.
Du hast dich in deiner Arbeit mit Rap beschäftigt und auch mit der Inszenierung einer bestimmten Form der Maskulinität. Was hat dich dabei besonders beeindruckt? Was abgeschreckt?
Der Punkt, der mich am meisten beeindruckt hat, war das Image an sich, welches die Rapper verkörpern. Gerade die mit Migrationshintergrund sind oft in ärmeren Verhältnissen aufgewachsen, haben in den Ghettos viel erlebt und haben den Drang bzw. den Wunsch dies irgendwann mal zu ändern und sich zu beweisen, der Gewalt und mangelnder Anerkennung zu entkommen. In den Texten der Rapper werden die Wege bis zum Durchbruch und Erfolg verarbeitet. Viele berichten autobiografisch von der Vergangenheit und nutzen dafür eher Gewalt darstellende Parts und inszenieren sich als „Proll“, den man jetzt respektieren, meiden und sich somit vor ihm fürchten sollte. Es geht darum, sich selbst zu erhöhen und andere beispielsweise mit einem Diss zu erniedrigen, damit die Maskulinität in den Kreisen gesehen und akzeptiert wird. Rap an sich gilt als Sprachrohr der Straße und ist gleichzeitig auch die Ausdrucksform, mit der man die Unterschiede zu anderen klarstellen oder sich einfach nur erklären und präsentieren will. Das erschreckende daran ist meiner Meinung nach wie real und aktuell das Thema zu sein scheint, und dass dieses Bild der Maskulinität sehr stark verankert ist in unseren Köpfen.
Was waren für dich die besonderen Herausforderungen bei der Umsetzung?
Die Herausforderung bei der Umsetzung der Arbeit war für mich das passende Gleichgewicht in der Verteilung der kulturellen Eigenschaften bzw. der kulturellen Designelemente zu finden. Sie sollten klar erkennbar sein, aber das Gesamtbild nicht zerstören.
Die Parallele zwischen Rapper-Outfit und Osmanischen Trachten ist wirklich erstaunlich – wie genau hast du das in deinen Entwürfen herausgearbeitet? Was war dir dabei besonders wichtig?
Der Bezug zu den osmanischen Trachten ist in erster Linie meiner eigenen Kultur gewidmet. Der Kaftan zeigt nicht nur Parallelen zwischen den Outfits sondern liefert auch Auskunft über die Herkunft, den Stand und die politische Richtung des Trägers, ähnlich wie die Texte der Rapper. Die Kleidung der Straßen-Szene ist oft sehr voluminös mit lässigen, weiten Schnitten. Es sieht fast so aus als würde man darin verschwinden. Gleichzeitig bietet sie aber auch Schutz, wenn man sich das Beispiel der klassischen Bomberjacke ansieht. Sie wirkt oft gefährlich auf andere, bedrohlich und schüchtert eventuell ein. Auch die osmanische Tracht zeigt sich mit weiten Schnitten. So hatte die türkische Pumphose für mich eine gewisse Ähnlichkeit mit den Baggypants aus dem Bereich der Rapwelt.
Im nächsten Schritt habe ich mir Archetypen beider Kulturen rausgesucht, deren Merkmale und Eigenschaften herausgearbeitet und sie miteinander kombiniert. Details wie die doppelten Ärmel des Kaftan wandern in verschiedenen Varianten auf die Ärmel der Bomberjacke oder zeigen sich seitlich am Bein der Trackpants. Mir war wichtig, dass der heimatverbundene Teil auf den ersten Blick sichtbar wird. Daher habe ich mich für ein glänzendes Material aus der Türkei entschieden, gemustert mit den osmanischen Motiven, wie man sie aus den Filmen kennt. Gebrochen wird das Ganze mit beispielsweise Meshlagen, die den gesamten Look aktueller, sportlicher und moderner machen.
Das Wichtigste der Arbeit ist jedoch, dass die Kollektion im Grunde eine Visualisierung meiner Selbst und vielleicht auch von vielen anderen ist. Ich habe bestimmte Bereiche aus beiden Welten gesucht und vereint um daraus etwas komplett Neues erschaffen. Auch wir Menschen, die mit zwei Kulturen aufgewachsen sind, haben die Möglichkeit uns jeweils das Beste zunehmen und die Dinge miteinander zu verknüpfen. Denn wir sind wie es der Titel schon sagt „Nicht entweder oder ... sondern und!“
Welche Berührungspunkte hast du im Alltag mit Diversity und inwiefern nimmst du diese in deine künstlerische Arbeit auf?
Ich denke ich habe das „Glück“ mit zwei Kulturen aufgewachsen zu sein. Ich bekomme im Alltag oft beide Seiten mit und habe die Option für mich selbst zu entscheiden wie ich, wann welchen Part ausleben möchte. Genau auf diesen Punkten lag auch der Fokus meiner Arbeit. Auf der einen Seite die „Identitätskrise“, weil man zwischen den Stühlen steht, und auf der anderen Seite die „Selbstbestimmung“, weil man sich nicht das Recht nehmen lassen sollte von freiem Willen aus zu tun was man will und vor allem selbst zu bestimmen, was einem wichtig ist.
Was bedeutet Diversity für dich?
Ganz klar Vielfalt, so wie man es übersetzen würde. Aber ich denke, es geht viel mehr darum, wie man mit dieser Vielfalt umgeht und welche Ansichten man vertritt, denn schließlich werden wir gefühlt 24/7 im Alltag, auf der Arbeit oder in der Hochschule damit konfrontiert.
Wie kann „Gemeinsam verschieden“ aus deiner Sicht – als Mensch und als Künstler*in – gelingen?
Wir sollten - als Mensch und als Künstler - immer offen an neue Dinge, Situationen oder Menschen ran gehen und uns nicht von Vorurteilen leiten lassen. Es ist wichtig, sich immer erst sein eigenes Bild zu machen und sich darauf einzulassen, damit „Gemeinsam verschieden“ funktionieren kann.
Gibt es etwas, das dir zum Thema Kunst und Diversity noch besonders wichtig ist?
Ich denke, das Wichtigste ist, sich in Bezug zu beiden Bereichen keine Grenzen zu setzen und sich darauf einzulassen und wenn es um eine künstlerische Idee geht, diese auch einfach mal umzusetzen, ohne im Hinterkopf zu haben, dass sie eventuell von der Gesellschaft kritisiert werden könnte. Vielleicht wird genau diese Mischung wild gefeiert und setzt Zeichen?!